Fallbericht von Dr. Claudia Michl

Dr. Claudia Michl:

«Zirkoniumdioxidimplantate haben sich mittlerweile auch bei Patientinnen und Patienten mit besonderen ästhetischen Ansprüchen etabliert.»

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Zweiteilige Keramikimplantate: Individuelle volldigitale Lösung für hochästhetische Ergebnisse im Frontzahnbereich

Fallbericht von Dr. Claudia Michl

Zeramex XT: Individuelle volldigitale Lösung für hochästhetische Ergebnisse im Frontzahnbereich

Dieser Fallbericht ist zunächst im Magazin ceramic implants 2024/1 erschienen.

 

Einleitung

Dentale Implantate aus Hochleistungskeramik bzw. Zirkonoxidimplantate haben sich mittlerweile auch bei Patientinnen und Patienten mit besonderen ästhetischen Ansprüchen etabliert. Der Ersatz eines Frontzahns durch Implantate stellt sehr hohe fachliche Anforderungen an den Behandler. Daher ist es hier besonders wichtig, im Vorfeld der Zahnextraktion und Implantation eine exakte Planung durchzuführen, um vorhersagbar ansprechende Ergebnisse erzielen zu können.

Die Anwendung von Keramikimplantaten bietet aber nicht nur ästhetische Vorteile, sondern auch die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten eine metallfreie Versorgung anzubieten. Gerade bei Patientinnen und Patienten mit nachgewiesener Titanunverträglichkeit und erhöhter individueller genetischen Entzündungsneigung besteht ein 6-fach erhöhtes Risiko für einen primären oder sekundären Verlust des Titanimplantats (4). Zudem ist die Gefahr einer Periimplantitis aufgrund der guten biologischen Verträglichkeit von Zirkoniumdioxidkeramik deutlich reduziert. In unterschiedlichen Studien konnte eine hohe Überlebensrate mit über 94 % nach 9 Jahren (1), ein niedriger BOP sowie stabile Gingivaverhältnisse im Implantat-Bereich auch nach Jahren nachgewiesen werden.

 

Klinische Situation und Behandlungsplanung

 

Anamnese

Der 38-jährige Patient stellte sich am 3.11.2020 in meiner Praxis vor. Sein Hauptproblem waren die Beschwerden an Zahn 11. Dieser erhielt vor mehreren Jahren eine Wurzelkanalbehandlung und seit zwei Jahren macht er Beschwerden. Diese manifestieren sich in einem dauerhaft latenten Aufbissschmerz an Zahn 11 und zum Teil auch Druck auf den Nachbarzahn 21. Zudem scheint sich an Zahn 11 manchmal Pus und Blut zu entleeren.

 

Klinische Untersuchung

Abbildung 1: Zahn 11 vor Extraktion

 

Zahn 11 ist mit einer Metallkeramikkrone versorgt. Die Gingiva um die Krone herum zeigt deutliche Entzündungszeichen. Der BOP-Index an Zahn 11 ist positiv, es gibt kein Plaque. Der Kronenrand an 11 ist insuffizient. Apikal des Zahnes prominiert eine Fistel, aus welcher sich auf Druck Sekret und Pus entleert. Der Zahn 11 ist deutlich perkussionsempfindlich. Die Nachbarzähne reagieren auf Perkussionstest unempfindlich und auf Kältereiz sensibel. Der parodontale Screening-Index beträgt in allen Sechstanten 2, die Mundhygiene ist als gut einzustufen. Die Okklusion zeigt eine Verzahnung der Klasse I mit einer sehr lückenhaften OK- und UK-Front. Die vertikale Relation ist niedrig. Der Overbite beträgt 4 mm, der Overjet 1,5 mm. Die Eckzähne zeigen deutliche Anzeichen von Abrasion. Der CMD Screeningtest nach Ahlers und Jakstat ergab keinen Hinweis auf Vorliegen einer arthrogenen oder myogenen Dysfunktion.

 

Radiologische Untersuchung 

Abbildung 2: Röntgenbild vom Zahn 11 vor Extraktion

 

Die Einzelzahnaufnahme zeigt einen endodontisch versorgten Zahn 11 mit einem in den Fistelgang eingebrachten Guttaperchapoint.  Um den Guttaperchapoint ist eine Knochenaufhellung zu erkennen, welche ausgehend von apikal des Zahnes 11 interradikulär zwischen 11 und 21 deutlich Raum einnimmt. Auf Grund dieses radiologischen Befundes wurde ein DVT mit dem FOV 80 mm x 90 mm angefertigt.

Abbildung 3: DVT Prä-OP Zyste

 

Im DVT ist eine sehr ausladende interradikuläre Hypodensität Regio 11,21 ausgehend von Zahn 11 sichtbar. Die Abmessung des interradikulären Bereiches mit geringer Knochendichte beträgt gemessen von koronal nach apikal 19,4 mm und von mesial nach distal 10,9 mm. Die bukkale Knochenlamelle ist hauchdünn und im Bereich der Wurzel 11 ist bukkal kein Knochen mehr nachweisbar. Kranial der Aufhellung prominiert eine kleine hyperdense Figur, welche als versprengtes, überpresstes Wurzelfüllmaterial interpretiert werden kann. Diagnose: Insuffiziente Krone 11 und radikuläre Zyste ausgehend Zahn 11 mit Fistelung nach bukkal.

 

Behandlungsablauf

Auf Grund der Befunde und Absprache mit dem Patienten ergaben sich folgende Behandlungsschritte:

  1. Entfernung des Zahnes 11 mit zeitgleicher Zystektomie und Rekonstruktion des Knochendefektes sowie Herstellung eines Provisoriums (Ästhetikschiene von Erkodent)
  2. Insertion eines zweiteiligen Keramikimplantats (Zeramex XT von CeramTec Schweiz) 4 Monate nach Augmentation
  3. Versorgung des Implantats mit einer Krone

Da der Patient einige Allergien hat, wurde ein Lymphozytentrasformationstest (LTT) und ein Basophielendegranulationstest (BDT) durchgeführt, um vorab Allergien vom Typ I oder VI auf das Knochenersatzmaterial Bio-Oss (Geistlich) ausschließen zu können. Blutentnahme erfolgte in unserer Praxis, die Auswertung durch das Labor IMD in Berlin. Hierbei konnte keine Typ I oder VI Allergie auf Bio-Oss nachgewiesen werden. 

Die Prämedikation des Patienten erfolgte 5 Tage präoperativ bis 5 Tage postoperativ mit Amoxiclav 500 mg 3x täglich, 1 h präoperativ Prednisolon 60 mg als Einmalgabe. Zur postoperativen Schmerzprophylaxe und antiinflammatorischen Therapie wurde während der Operation eine Procain-Basisinfusion (4 ml 2% Procain, 100 ml 8,4% Natriumbikarbonat und 100 ml physiologische Kochsalzlösung) und postoperativ für 4 Tage Ibuprofen 600 mg sowie einmal täglich 20 mg Pantoprazol zur Unterstützung der Magenschleimhaut verabreicht.

Die Zahnentfernung und Zystektomie erfolgte möglichst atraumatisch und verlief komplikationslos. Hierbei kam es zu einer vollständigen bukkalen Fenestration, so dass ein dreiwandiger Knochendefekt verblieb.

 

Abbildung 4: Zahnentfernung und Zystektomie

 

Dieser wurde mit dem Knochenersatzmaterial Bio-Oss, welches mit Eigenknochen im Verhältnis 2:1 und PRF (Platelet-Rich-Fibrin) biologisiert wurde, rekonstruiert. Zusätzlich wurde das Augmentat mit Metronidazolpulver zur antimikrobiellen Prophylaxe versehen. Nach Augmentation wurde eine Ossix Plus Membran (Regedent) und Plasmamatrix PRF, welche reich an Wachstumsfaktoren ist, appliziert. Zur Gewährleistung eines spannungsfreien, primären Wundverschluss wurde das Periost des bukkalen Lappens mithilfe des ST-UP TM Soft Brushing Kit von Josef Choukroun, gedehnt.

 

Abbildung 5: Soccet Preservation Bio-Oss

 

Die histologische Untersuchung des entfernten Zystengewebes bestätigte die Verdachtsdiagnose einer radikulären Zyste. Nach komplikationsloser Wundheilung wurden die Nähte 14 Tage postoperativ entfernt.

Im weiteren Heilungsverlauf traten keine Komplikationen auf und das 4 Monate nach der OP aufgenommene DVT zeigt ein gut konsolidiertes Augmentat. Sowohl bukkal als auch krestal konnte die Knochenkontinuität nahegehend vollständig wiederhergestellt werden.

Somit konnte mit der Insertion eines zweigeteilten Keramikimplantats aus harter gehippter Zirkoniumdioxid-ATZ-Keramik (Zeramex XT 10 mm RB, CeramTec Schweiz) fortgefahren werden.

Vor der Implantation erfolgte eine Prämedikation nach dem Protokoll von J. Choukroun. Dies stellt sich wie folgt dar: Am Abend vor der OP 1000 mg Azitromycin, 1 Stunde präoperativ 60 mg Prednisolon und zur Schmerzmedikation und antientzündlichen Therapie bis vier Tage nach der Operation, dreimal täglich 600 mg Ibuprofen, sowie einmal täglich 20 mg Pantoprazol.

Die Implantatbettpräparation erfolgte anhand des chirurgischen Bohrprotokolls. Die Pilotbohrung wurde vollnavigiert mittels digital geplanter und 3D-gedruckter Bohrschablohne durchgeführt. Die Bohrschablone wurde nach vorhergehendem Intraoralscan (Trios III Fa 3Shape) und einer DVTAufnahme (PaX-i3D Green, Vartech),  durch das Labor Dentalmanufaktur Norbert Delly Bad Aibling mittels Implantstudio von 3shape geplant. Die Bohrung des Implantatbetts zur Aufnahme eines 10 mm Implantats war 11,5 mm tief. Das mit PRF biologisierte Implantat wurde mit 30 Ncm auf Knochenniveau inseriert. Es erfolgte ein primärer Wundverschluss. Der Heilungsverlauf war komplikationslos.

Nach einer Einheilphase von 4 Monaten zeigte sich krestal ein geringer vertikaler Knochenverlust von ca. 0,6 mm. Dieser entspricht dem zu erwartenden Bone-Remodeling-Effekt (2).

 

Abbildung 6: Implantat in situ 4 Monate nach dem Knochenaufbau

 

Bei der Freilegung wurde das Implantat mit einem 3 mm hohen Gingivaformer verschlossen. Dieser wurde vor der Insertion mit fließfähigem Komposit individualisiert, um das Emergenzprofil bestmöglich auszugestalten.

Abbildung 7: Verschluss mit einem 3 mm hohen Gingivaformer

 

Die Implantatabformung erfolgte mittels 3D-Scan (Trios III). Aus ästhetischen Gründen und zur Optimierung des Emergenzprofils wurde eine Versorgung mit einem individuell gefertigten Abutment gewählt, das mit einer Vicarbo-Schraube (carbonfaserverstärkte Schraube aus PEEK) auf dem Implantat verschraubt wurde.

Abbildung 8: Individuell gefertigtes Abutment

 

Das Abutment wurde aus TZP-Keramik in der Farbe A3 angefertigt. Die vollkeramische Krone (aus Zirkoniumdioxidkeramik), hergestellt von der Dentalmanufaktur Norbert Delly in Bad Aibling, vestibulär verblendet mit Siliziumdisilikatkeramik im Cut-Back-Verfahren, wurde semipermanent mit Tempond eingesetzt.

Abbildung 9: Implantatkrone nach Eingliederung

 

Abbildung 10: Röntgenbild nach Eingliederung der Krone

 

Klinische Ergebnisse

Das Ergebnis nach Eingliederung der Keramikkrone zeigt entzündungsfreie Weichgewebsverhältnisse. Im Rahmen des nun 1-Jahres-Follow-ups ergaben sich keinerlei Entzündung oder Probleme mit dem Implantat oder der prothetischen Versorgung.

 

Abbildung 11: Regio 11 nach einem 1-Jahres-Follow-up

 

Diskussion

Das Implantatsystem Zeramex XT ist für ein breites Indikationsspektrum in der dentalen Implantologie konzipiert. Durch die Zweiteiligkeit werden die aus der Titanimplantologie gewohnten Vorteile wie eine unbelastete Einheilung, ein primärer Wundverschluss, einzeitige, augmentative Verfahren und eine maximale Flexibilität in unterschiedlichen chirurgischen und prothetischen Anwendungsbereichen möglich. Ebenso ist durch die bolzenartige Verschraubung mit der Vicarbo-Schraube (carbonfaserverstärkte Schraube aus PEEK) eine stabile, sichere und eine den biomechanischen Kräften optimal wiederstehenden Abutment-Implantat-Verbindung gegeben. Ein risikoarmes Weichgewebsmanagement, eine individuelle Ausformung des Emergenzprofils sowie einfache Reentry- und Reparatur-Optionen sind ebenfalls möglich.

Die strikte Einhaltung biologischer Prinzipien im Rahmen des prä- und postoperativen Protokolls sowie der individuelle und aktuelle immunologische Status des Patienten (Allergien, Vorliegen chronischer Systemerkrankungen) spielen für den Behandlungserfolg eine wichtige Rolle. Eine proaktive Testung mittels LTT-Test, BDT-Test oder Effektorzelltypisierungen zur Detektion möglicher Materialunverträglichkeiten ist ein wichtiger Faktor im Verlauf zu lösender Fälle.

In diesem Zusammenhang sind auch eine optimale Versorgung mit Mikronährstoffen wie Vitamin D3, C, B6 und B12, Bor, Mangan und Melatonin sowie eine „antientzündliche Ernährung“, welche auch eine spezielle Form von Intervallfasten beinhaltet, zu nennen. Ebenso hilfreich sind lokal effektive Additiva wie die Anwendung von Platelet Rich Fibrin (PRF), welches reich an Wachstumsfaktoren ist.  Antientzündliche und immunmodulierende Maßnahmen wie die Gabe spezieller Antibiotika und antiinflammatorischer Medikamente nach einem festen Einnahmeschema runden die ganzheitliche Herangehensweise in der dentalen Implantologie ab (1).

All diese Maßnahmen führen dazu, dass der oxidative Stress im Gewebe auf einem niedrigen Niveau gehalten wird und somit das Bone Remodeling im Rahmen der Wundheilung bestmöglich unterstützt wird.

 

Quellen

 

1. Brunello, G., Rauch, N., Becker, K., Hakimi, A. R., Schwarz, F., & Becker, J. (2022). Two‐piece zirconia implants in the posterior mandible and maxilla: A cohort study with a follow‐up period of 9 years. Clinical Oral Implants Research33(12), 1233-1244.

2. Choukroun, E., Surmenian, J., Simonpieri, A., & Choukroun, J. (2021). Oxidative stress and osteoimmunology: The two missing pieces of the oral osseointegration puzzle. Diabetes16, 17.

3. Fischer, J., Rohr, P. D. N., & Jensch Fischer, P. D. Vielleicht darf's auch glatt sein. Internet: https://dzw.de/osseointegration-bei-zirkonoxid-implantaten. Zuletzt aufgerufen am 30.04.24.

4. Jacobi-Gresser, E., Huesker, K., & Schütt, S. (2013). Genetic and immunological markers predict titanium implant failure: a retrospective study. International journal of oral and maxillofacial surgery42(4), 537-543.

 

Über die Autorin

Dr. Claudia Michl, M.Sc. ist Implantologin, biologische Zahnärztin mit den Schwerpunkten gesundheitliche Prävention sowie konservierende, prothetische, chirurgische Gesamtrehabilitationen und führt eine Praxis in Kolbermoor (DE). Sie ist zertifiziert in allgemeiner Implantologie (DGZI e.V.) und in Umweltzahnmedizin (DEGUZ e.V.). Darüber hinaus verfügt sie über einen Masterabschluss in zahnärztlicher Funktionsanalyse und Funktionstherapie (Universität Greifswald). Sie ist auch Mitglied der DGZI, DEGUZ und DGAST.

 

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